Berîvan Aymaz im Wahlkampf "Ich lasse mir von Extremisten nicht den Schlaf rauben"

Berîvan Aymaz will die erste grüne Oberbürgermeisterin einer Millionenstadt werden. Dafür setzt die Kölnerin auf viele Begegnungen mit Bürgern – und auf Polit-Prominenz.
Es ist Samstagmittag, 12 Uhr, das neu gestaltete Porzer Stadtzentrum ist voller Menschen. Der "Tag des offenen Lebens" soll das erst vor wenigen Monaten wiedereröffnete Stadtzentrum feiern. An einem Stand bringt ein Mann Kindern und Jugendlichen das Boxen bei. Mit dabei: die OB-Kandidatin der Grünen, Berîvan Aymaz. Als sie angesprochen wird, streift sich die Frau, die künftig eine Verwaltung mit rund 22.000 Menschen leiten möchte, kurzfristig ein Paar Boxhandschuhe über.
Wer im Wahlkampf mit Berîvan Aymaz unterwegs ist, bekommt den Eindruck, hier ist jemand, der anpackt. Aber es entsteht auch der Eindruck, dass die Kölner OB-Kandidatin der Grünen unbedingt diesen Eindruck vermitteln möchte.
Berîvan Aymaz: Stimmenfang dort, wo die Grünen schwach sind
"Ich will eine Oberbürgermeisterin für alle Kölnerinnen und Kölner sein. Ich möchte, dass das Rechtsrheinische und Linksrheinische enger zusammenwachsen", wiederholt Aymaz in den Tagen vor der Stichwahl am Sonntag. Sie selbst ist in der Türkei geboren, Kind kurdischer Einwanderer. Aymaz ist in den Stadtteilen Brück und Kalk aufgewachsen. Weit entfernt vom Grüngürtel oder dem Brüsseler Platz.
In der Innenstadt liegen die Hochburgen der Grünen. In einzelnen Bezirken holten sie vor rund zwei Wochen mehr als 40 Prozent der Stimmen. Diese Ergebnisse sind es, denen Aymaz ihren am Ende klaren Erfolg mit mehr als 30.000 Stimmen Vorsprung im ersten Wahlgang vor SPD-Konkurrent Torsten Burmester verdankt. In Porz erreichte Aymaz dagegen nur etwas mehr als 14 Prozent – und lag damit nicht nur deutlich hinter Burmester (26,4 Prozent), sondern auch hinter AfD-Kandidat Matthias Büschges (15,1).
AfD greift Aymaz an – grüne OB-Kandidatin reagiert deutlich
Kurz vor der Stichwahl veröffentlichte die Kölner AfD eine Pressemitteilung, in der Aymaz hart angegangen und teils diffamiert wurde. Büschges verstieg sich zu der Aussage, ihr fehle "das intellektuelle Fundament" für das OB-Amt. Aymaz und auch ihr Kontrahent Burmester verurteilten die Äußerungen deutlich.
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Auch in den sozialen Medien war die grüne OB-Kandidatin vor allem aus rechtspopulistischen und rechtsextremen Kreisen attackiert worden. "Extremisten bereiten mir keine schlaflosen Nächte", sagte sie bei der Wahlveranstaltung in Porz. Sie werde alle relevanten Äußerungen strafrechtlich verfolgen lassen. Der Wahlkampf mit allen anderen Kandidaten sei in den Wochen und Monaten vor der Kommunalwahl stets fair abgelaufen.
Ost-West-Achse: Kein U-Bahn-Tunnel mit Berîvan Aymaz
In Porz versucht Aymaz eine Mischung aus Inhalten und persönlicher Ansprache zu finden. In einem Moment trinkt sie an einem Stand marokkanischen Minztee, wenige Augenblicke später sagt sie in ein Mikrofon: "Ein U-Bahn-Tunnel unter der Kölner Innenstadt wird aus meiner Sicht keine Förderung bekommen. Wir wollen oberirdisch bleiben."
Die Ost-West-Achse ist eines der zwei großen Streitthemen, die Aymaz und Burmester im Kern unterscheiden. Die SPD will zwischen Deutzer Freiheit und Aachener Straße einen Tunnel graben lassen, die Grünen wollen oberirdisch und damit kostengünstiger ausbauen. Ähnlich gegensätzlich sind die Positionen bei der Gleueler Wiese im Äußeren Grüngürtel. Die Grünen beharren darauf, dass dort keine Kunstrasenplätze für den 1. FC Köln entstehen dürfen. Die SPD unterstützt dagegen den Bundesligisten.
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Aymaz sucht in Porz bewusst die Nähe der Menschen, will sich mit ihrer nahbaren Art von Burmester abgrenzen. Bei der Stadtteilbibliothek bietet sie sich als Lesepatin an, hört anschließend Kindern zu, die Fair-Trade-Bananen verteilen. Als sie ein junger Mann auf Türkisch anspricht, landet Aymaz kurzerhand in einem Videoanruf mit seiner Familie.
Ihre Herkunft begreift Aymaz als Chance. In einem Video für den NRW-Landtag erklärt sie stolz, sie komme aus dem Rechtsrheinischen – woraufhin im Video auf ihre Heimatstadt in der Türkei geschwenkt wird. Am Mittwochabend sagt sie beim von den Grünen selbst so bezeichneten "Stichwahl-Höhepunkt": "Ich glaube, dass eine Grüne Oberbürgermeisterin einer Millionenstadt werden kann. Auch wenn sie nicht in Deutschland geboren ist."
Robert Habeck, Mona Neubaur: Polit-Prominenz unterstützt Aymaz
Die Grünen haben für die Stichwahl noch einmal alle Register gezogen. In Porz wird Aymaz von NRW-Vize-Ministerpräsidentin Mona Neubaur begleitet, am Mittwochabend in Mülheim stehen ihr die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Katharina Dröge, und Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck bei. Habeck habe für den Termin extra seine Planungen umgeworfen, heißt es.
Es ist ein Gegensatz zu Burmester, der während des Wahlkampfs mit anpackt in Kölner Vereinen und Betrieben auf andere Art und Weise den Kontakt zu den Menschen in der Stadt sucht. Beide hatten im Wahlkampf das Problem einer geringen Bekanntheit in der Wählerschaft, umso überraschender kam der deutliche Sieg im ersten Wahlgang für Aymaz.
Am Sonntag könnten die Grünen ihren Triumph in Köln perfekt machen und erstmals selbst eine Oberbürgermeisterin in Köln stellen. Amtsinhaberin Henriette Reker war lediglich von der Partei unterstützt worden, kandidierte aber nicht als grüne Kandidatin. Ein Vorteil für Aymaz: Sie hätte mit der eigenen Partei zugleich die größte Ratsfraktion im Rücken.
- Eigene Berichterstattung
- Reporter vor Ort

